Warum muss man als Patient häufig so lange auf einen Therapieplatz warten?

Die Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein berichtet, dass die Wartezeiten bei kassenzugelassenen Psychotherapeuten in Schleswig-Holstein mittlerweile bei durchschnittlich 27 Monaten liegen. In Kiel muss durchschnittlich mit Wartezeiten von 3 bis 6 Monaten gerechnet werden. Aufgrund des mittlerweile von der Bundesregierung beschlossenen sog. "Versorgungsstärkungsgesetz" ist zukünftig von noch längeren Wartezeiten auszugehen. Auf Grundlage des Gesetztes werden bundesweit 12.000 Arztsitze gestrichen. Die betroffenen Sitze sind, mit 37%, überwiegend Sitze von Psychotherapeuten (siehe Link)

Der angegebene Grund für die Kürzungen liegt in einer sog. (statistischen) "Überversorgung" durch Therapeuten. Die Anzahl der Psychotherapeutensitze wurde 1999 mit Einführung des Psychotherapeutengesetztes willkürlich festgelegt. Der Bedarf wurde damals an der Anzahl der vorhandenen Therapeuten und nicht an der Anzahl des tatsächlichen Bedarfs festgelegt. Diese Zahlen wurden bis heute nicht verändert und vermitteln daher eine (statistische) Überversorgung von durchschnittlich 140%. Der Bundesrat sieht diese Bedarfsermittlung kritisch, da Menschen mit psychischer Erkrankung benachteiligt werden (siehe Link).

Obwohl in der täglichen Praxis von Psychotherapeuten, in der epidemiologischen Forschung und auch durch Studien der Krankenkassen (u.a. Barmer, Techniker Krankenkasse) ein regelmäßig steigender Bedarf und eine dauerhafte Unterversorgung offensichtlich wird, wehren sich die Krankenkassen gegen eine Erweiterung des Behandlungsangebots - womöglich aus Angst vor steigenden Kosten.

Dies ist absurd, angesichts wissenschaftlicher Befunde, dass jeder Euro, der in eine Psychotherapie investiert wird, einen 3- bis 4-fachen finanziellen Mehrgewinn ("Return-of-Invest") für die Gesellschaft bedeutet (durch weniger Krankschreibungen, Klinikaufenthalte, usw.).

Auch zeigen Studien der Krankenkassen (u.a. Techniker Krankenkasse), dass aufgrund der mangelhaften Versorgung zunehmen Privatpraxen aufgesucht werden müssen. Dies belegen deutlich steigende Zahlen von Psychotherapien über Kostenerstattung (siehe Link).

Angesichts dieser Umstände ist verwunderlich, dass einige Krankenkassen die Kostenerstattung zunehmend erschweren und die Patienten mit Falschinformationen abspeisen (siehe Link).


Was kann ich dagegen tun?

Ihre Erfahrungen als Patient sind wichtig. Wenden Sie sich an direkt an Ihre Krankenkassen. Holen Sie sich ggf. Unterstützung bei Ihrer Therapeutin / Ihrem Therapeuten. Wenden Sie sich an die Unabhängige Patientenberatung um Unterstützung zu bekommen. Beschweren Sie sich ggf. bei öffentlichen Stellen. Denken Sie daran, dass Sie bei medizinischer Notwendigkeit ein Recht auf eine Behandlung haben. Notfalls können Sie auch Ihr Recht gerichtlich einklagen.

 

Informationen zu Anlaufstellen und Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie auf meiner Homepage unter Links.